Rainer Mausfeld

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Prof.Rainer Mausfeld (Quelle: Nachdenkseiten)

Rainer Mausfeld (* 22. Dezember 1949 in Iserlohn) ist ein deutscher Professor (im Ruhestand) für Allgemeine Psychologie an der Universität Kiel. Seine Schwerpunkte sind Wahrnehmungspsychologie und Kognitionswissenschaft.

Leben und Universitätslaufbahn

Mausfeld studierte von 1969 bis 1979 Psychologie, Mathematik und Philosophie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Mathematische Psychologie an der Universität Nijmegen. Anschließend war er bis 1981 Referent am Institut für Test- und Begabungsforschung der Studienstiftung des deutschen Volkes in Bonn. 1984 promovierte Mausfeld an der Universität Bonn zur Fechner-Skalierung. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die Prinzipien der Konstruktion psychophysikalischer Diskriminationsskalen. 1987 wurde er Visiting Research Professor an der University of California. 1990 wurde Mausfeld in Bonn mit Forschungsarbeiten vor allem zur Wahrnehmungspsychologie habilitiert und nahm 1992 eine Professur für Allgemeine Psychologie an der Universität Mannheim an. 1993 wechselte er an die Universität Kiel.[1] 2004 wurde er zum Mitglied der Sektion Psychologie und Kognitionswissenschaft der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt.[2]

Mausfeld lebt in Dänisch-Nienhof und ist mit der Diplom-Psychologin und Psychoanalytikerin Gisela Bergmann-Mausfeld verheiratet.[1][3]

In den zurückliegenden Jahren trat Mausfeld mit zahlreichen Vorträgen zu medien- und kapitalismuskritischen Themen hervor. Seine auf über die kritischen Internet-Plattformen Nachdenk-Seiten und KenFM verbreiteten Vortragsvideos und Gespräche fanden großes Interesse in der breiten Öffentlichkeit. Er gehört zum Beirat der Internetseite Rubikon.

 

Forschung

Mausfeld forscht schwerpunktmäßig zur Wahrnehmungspsychologie und arbeitete auch zu den theoretischen Grundlagen der experimentellen und der verstehenden Psychologie. Weiterhin befasst er sich mit der Rivalität von Kognitionspsychologie und kognitiven Neurowissenschaften in der Kognitionswissenschaft. Ein weiteres Interessensgebiet ist die Ideengeschichte der Naturwissenschaften.

Ein Hauptproblem des Verhältnisses von Psychologie und Biologie sieht er im neurologischen Neo-Reduktionismus.[4] Die Besonderheit des Geistigen macht er im Gegensatz zu biologistischen Ansätzen unter anderem in der intrinsischen Multiperspektivität des Geistes aus.[5]

Mausfeld leitete unter anderem das DFG-Projekt Farbkonstanz und war 1995 bis 1996 Leiter einer internationalen Forschungsgruppe am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung (ZiF) in Bielefeld.

Seit 2009 publiziert Mausfeld zudem zu Anwendungsthemen der Psychologie, etwa zur Weißen Folter.[6]

Schwerpunkte und Positionen

Farbwahrnehmung

Laut Mausfeld bildet die Psyche physikalische Daten der Farbwahrnehmung nicht bloß ab. Er kritisiert eine atomistische Auffassung der Wahrnehmungspsychologie, die Wahrnehmungen aus dem Zusammenwirken einfacher Faktoren erklärt („Meßinstrumentkonzeption der Wahrnehmung“). Entscheidend für die Einzelheiten der Farbwahrnehmung sei vielmehr der Gesamtzusammenhang der visuellen Wahrnehmung. Die Sinnesempfindung (sensation) ist nach Darstellung Mausfelds immer auch Wahrnehmung im Sinne von Perzeption. Die Sinne seien Werkzeuge des Geistes.[7]

Natur und Geist

Nach Mausfeld genügt die Kenntnis neuronaler Verschaltung und Aktivität nicht, um Bewusstsein und Denkvorgänge zu erklären. Schon das Verhalten vergleichsweise unterkomplexer Lebewesen wie Nematoden könne nicht aus der Neuronenaktivität erklärt werden. Die Beziehung zwischen Natur und Geist muss nach Mausfelds Auffassung daher unterhalb der neuronalen Ebene im Physikalischen liegen. Die Problematik der Erkenntnis dieser Zusammenhänge zeige sich darin, dass uns die Natur rätselhafter sei als unser Bewusstsein. Das Besondere des Bewusstseins sieht Mausfeld in der Einfachheit und Ganzheit des subjektiven Erlebens, das sich dem Psychologen jedoch aber als komplexes Zusammenwirken unbewusster Faktoren enthüllt. Aus dem komplexen Zusammenwirken unterschiedlichster Wirkgrößen ergebe sich die „intrinsische Multiperspektivität“ des Denkens, das dem Menschen nach Mausfeld erst die Möglichkeiten zu Denk- und Handlungsalternativen eröffnet.[8]

Weiße Folter und Verantwortung der Wissenschaft

Mausfeld stellt in seiner Arbeit dar, welchen Anteil Psychologen an der Entwicklung, Anwendung und Rechtfertigung moderner Methoden der Weißen Folter haben. Diese ziele nicht, wie behauptet werde, auf Informationsgewinnung, sondern auf die Brechung des Willens, Disziplinierung, Demütigung und Erniedrigung ihrer Opfer. Mausfeld definiert am Beispiel der Folterforschung ethische und juristische Prinzipien und Grenzen wissenschaftlicher Arbeit.[6][9][10]

Schriften (Auswahl)

  • Grundzüge der Fechner-Skalierung. Prinzipien der Konstruktion psychophysikalischer Diskriminationsskalen. 1985, ISBN 3-8204-5240-0. (zugl. Diss. Univ. Bonn)
  • Rainer Mausfeld, Edgar Erdfelder, Thorsten Meiser (Hrsg.): Handbuch Quantitative Methoden. Beltz, Psychologie-Verlags-Union, Weinheim 1996, ISBN 3-621-27280-1.
  • Jum C. Nunnally, Ira H. Bernstein: Psychometric Theory. 3. Auflage. McGraw-Hill, New York 1994, ISBN 0-07-047849-X.
  • mit Dieter Heyer: Perception and the physical world. Psychological and philosophical issues in perception. 2002, ISBN 0-471-49149-7.
  • Colour perception. Mind and the physical world. 2003, ISBN 0-19-850500-0.
  • Rainer Mausfeld: Wahrnehmungspsychologie: Geschichte und Ansätze. (PDF; 43 kB). In: J. Funke, P. A. Frensch (Hrsg.): Handbuch der Allgemeinen Psychologie - Kognition. Hogrefe, Göttingen 2005, ISBN 3-8017-1846-8.
  • Rainer Mausfeld, Onur Güntürkün: Wissenschaft im Zwiespalt. In: Gehirn und Geist. Heft 7–8, 2005.
  • Rainer Mausfeld: Über die Bedingungen der Möglichkeit von Lernen. In: M.-L. Käsermann, A. Altorfer (Hrsg.): Über Lernen. Ein Gedankenaustausch. EditionSolo, Bern 2005, S. 218–236.
  • Psychologie, Weiße Folter und die Verantwortlichkeit von Wissenschaftlern. In: Psychologische Rundschau. Jg. 60, 2009, S. 229–240.
  • Weiße Folter. Psychologie im Krieg gegen den Terror. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. Band 54, 2009, S. 90–100.
  • Rainer Mausfeld: Foltern ohne Spuren. Psychologie im Dienste des »Kampfes gegen den Terrorismus«. (Volltext). In: Wissenschaft & Frieden. Heft 1, 2010, S. 16–19: Intellektuelle und Krieg
  • Rainer Mausfeld: Warum schweigen die Lämmer?, Free21, 4. August 2015.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Lebenslauf Rainer Mausfeld, leopoldina.org, abgerufen am 27. Februar 2017.
  2. Vorlage:Leopoldina
  3. Mitgliederverzeichnis. Abgerufen am 24. Februar 2017.
  4. R. Mausfeld: Psychologie, Biologie, kognitive Neurowissenschaften. Zur gegenwärtigen Dominanz neuroreduktionistischer Positionen und zu ihren stillschweigenden Grundannahmen. In: Psychologische Rundschau. Band 61, Nr. 4, 2010, S. 180–190.
  5. R. Mausfeld: Intrinsic multiperspectivity: On the architectural foundations of a distinctive mental capacity. In: P. A. Frensch, R. Schwarzer (Hrsg.): Cognition and neuropsychology. International perspectives on psychological science. Vol. 1, Psychology Press, London 2010, ISBN 978-1-84872-022-0, S. 95–116.
  6. 6,0 6,1 R. Mausfeld: Psychologie, ,weiße Folter‘ und die Verantwortlichkeit von Wissenschaftlern. (PDF) In: Psychologische Rundschau. Band 60, Nr. 4, 2009, S. 229–240.
  7. R. Mausfeld: Wahrnehmungspsychologie: Geschichte und Ansätze. In: J. Funke, P. Frensch (Hrsg.): Handbuch der Allgemeinen Psychologie - Kognition. Hogrefe, Göttingen 2005, S. 97–107.
  8. Psychologie, Biologie, kognitive Neurowissenschaften Zur gegenwärtigen Dominanz neuroreduktionistischer Positionen und zu ihren stillschweigenden Grundannahmen. In: Psychologische Rundschau. Band 61, Nr. 4, 2010, S. 180–190.
  9. Rainer Mausfeld: Anti-Terrorkampf: Wissenschaftler profilieren sich als Folterknechte. In: Zeit online. 15. Juli 2009, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 22. Februar 2017]).
  10. Jana Hauschild: Wie US-Forscher der CIA halfen: Die Folter-Psychologen. In: Spiegel online. Abgerufen am 22. Februar 2017.