Multiple Chemikalien-Sensitivität

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Die Vielfache Chemikalienunverträglichkeit (abgekürzt MCS von (englisch: Multiple Chemical Sensitivity)) ist ein Beschwerdebild mit z.T. starken Unverträglichkeiten von vielfältigen flüchtigen Chemikalien, wie z. B. Duftstoffen, Zigarettenrauch, Lösemitteln oder Abgasen, auch in jeweils niedriger Konzentration.[1]

Nachdem in den 1980er und 1990er Jahren polarisiert darüber diskutiert worden war, ob die MCS der Toxikologie oder der Psychosomatik zuzuordnen sei, setzt sich nach neueren Studien ein multifaktorielles Störungsmodell durch, welches Aspekte beider Felder in einem „bio-psycho-sozialen“ Modell berücksichtigt. Hier halfen insbesondere Studien weiter, in denen die Risikofaktoren der MCS in ihrer frühen Form untersucht wurden. Die voll ausgeprägte MCS zieht eine Vielzahl an Problemen nach sich, die eine Verzerrung von Studienergebnissen bewirkt.[2][3][4]

Synonyme

Synonym oder im gleichen Zusammenhang werden Bezeichnungen wie Multiple Chemical Sensitivity -Syndrom (MCS-Syndrom), multiple Chemikaliensensitivität, multiple Chemikalienunverträglichkeit, multiple Chemikalienüberempfindlichkeit, vielfache Chemikaliensensitivität, chemische Mehrfachempfindlichkeit, Idiopathic Environmental Intolerances (IEI), idiopathische umweltbezogene Unverträglichkeiten, idiopathische Umwelt-Unverträglichkeit, idiopathische Chemikaliensensitivität, Umweltkrankheit, Ökosyndrom benutzt.

Symptome

MCS-Betroffene geben meist eine Vielzahl von unspezifischen Beschwerden an. Häufig werden benannt: Müdigkeit, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen, Augenbrennen, Verlust an Merkfähigkeit, Schwindel, Atemnot, Beschwerden am Bewegungsapparat, Magen-Darm-Beschwerden, Haut- und Schleimhautprobleme, diffuse Schmerzen und Ödeme. In der Regel nehmen die Symptome mit der Zeit zu, ebenso die Anzahl der Substanzen, die von den Betroffenen als auslösend wahrgenommen werden.[5]

Definition

Aus dem Jahr 1999 stammen die MCS-Konsensus-Kriterien nach Bartha et al.[6]

  1. Die Symptome sind reproduzierbar mit wiederholten chemischen Expositionen.
  2. Der Zustand ist chronisch.
  3. Symptome werden durch niedrige Expositionsniveaus ausgelöst, die von anderen Personen im Allgemeinen toleriert werden bzw. vor Beginn der Erkrankung toleriert wurden.
  4. Die Symptome bessern sich oder vergehen ganz, wenn die Auslöser gemieden bzw. entfernt werden.
  5. Die Auslösung der Symptome erfolgt durch verschiedene chemisch miteinander nicht verwandte Stoffe.
  6. Mehrere Organe oder Organsysteme sind von Symptomen betroffen.

A. MCS soll bei Erfüllung der Kriterien 1 bis 6 auch neben anderen Diagnosen, die teilweise zur Erfüllung der Kriterien führen (Asthma, Allergien, Migräne), diagnostiziert werden.

B. Ausschluss MCS: Die berichteten Beschwerden lassen sich vollständig (ganzes Spektrum) durch eine bekannte Erkrankung des Patienten erklären

Häufig werden auch die älteren Kriterien benutzt, die Cullen 1987 formuliert hat.[7]

Einige Autoren, welche eine psychische Genese der MCS vermuten, schlugen die Bezeichnung „idiopathic environmental intolerances“ (IEI), „idiopathische (d.h. ohne erkennbare Ursache entstandene), umweltbezogene Unverträglichkeiten“ vor. Dieser Begriff umfasse über die bisher mit MCS beschriebenen hinaus eine Reihe ähnlicher gesundheitlicher Störungen und vermeide eine Festlegung bezüglich der vermuteten Ursache, die durch den wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht gerechtfertigt sei.[8]

Epidemiologie

Prävalenz

Es wurden für mehrere Länder Prävalenzen für Überempfindlichkeiten gegenüber Chemikalien publiziert. In den meisten Studien wurde zwischen einer „Chemikalien-Intoleranz“ (CI) mit moderatem gesundheitlichen Einfluss und der schweren Ausprägung mit täglichen Symptomen und weitreichenden gesundheitlichen Auswirkungen (MCS) unterschieden. Die Angaben für die Prävalenz der MCS liegen zwischen 0,5 % und 3,9 %.[9][10]

  • 0,5 % (Deutschland)
  • 0,9 % (Australien)
  • 3,7 % (Schweden)
  • 3,8 % (Japan)
  • 3,9 % (USA)

Moderate Chemikalien-Intoleranzen treten bei 9 bis 33 % der untersuchten Bevölkerungen auf. Die Ergebnisse von drei Studien liegen mit 15 bis 16 % sehr dicht beieinander. Die Zahlen decken sich auch mit Angaben von Jugendlichen.[1] Produkte, die am häufigsten als unverträglich genannt werden, sind Parfüm, Lösemittel, Pestizide, Zigarettenrauch, frische Farbe, Benzin und Autoabgase. Parfüm steht dabei an erster Stelle. Die Symptome, die am häufigsten in Zusammenhang mit der Exposition auftreten, sind Übelkeit, Kopfschmerzen, Augenreizung, Kurzatmigkeit, laufende oder verstopfte Nase, Konzentrationsstörungen, Schwindel und Benommenheit.

Risikofaktoren

Die bekannten Risikofaktoren für MCS stammen aus den Bereichen Exposition und Vulnerabilität. (Übersicht bei:[9][10])

Exposition: Es gibt eine Vielzahl von Studien zur MCS-Prävalenz in Kollektiven, die nach erhöhten Schadstoffexpositionen (meist Lösemittel, Formaldehyd oder Biozide) erkrankten. Die prozentualen Anteile von Personen mit nachfolgenden chemischen Intoleranzen bzw. MCS lagen in diesen Kollektiven zwischen 25 % und 60 % (Übersicht bei: Ashford und Miller 1998, Maschewsky 1996). Diese als „Initialexposition“ beschriebenen Belastungen sind in der Regel neurotoxischer=nervengiftiger Natur. Die chemische Sensitivität entwickelt sich häufig erst nach der Initialexposition. Die erste gesundheitliche Reaktion auf die erhöhte „Initialexposition“ darf nicht mit der nachfolgenden sensitiven Reaktion auf chemische „Triggerreize“ verwechselt werden, die bei deutlich niedrigeren Konzentrationen an Chemikalien auftritt und sich erst Jahre später entwickelt.

Vulnerabilität: MCS tritt häufiger bei Personen mit zusätzlichen chronischen Erkrankungen auf. Hier wird eine Vulnerabilität der Betroffenen vermutet:

  • Asthma und hyperreagibles Bronchialsystem
  • allergische Disposition
  • andere Intoleranzen (Nahrungsmittel, Medikamente)
  • posttraumatische Belastungsstörung
  • psychosozialer Stress
  • ängstliche Disposition oder Angststörungen
  • weibliches Geschlecht

Frauen weisen dabei überhäufig die Risikofaktoren auf, die eine Vulnerabilität begründen.

Das MCS-Risiko ist überproportional erhöht, wenn mehrere der Risikofaktoren vorliegen (z. B. Lösemittel-Exposition, allergische Disposition und Stress).[11]

Einkommen, soziale Stellung oder ethnische Zugehörigkeit beeinflussen die MCS-Häufigkeit dagegen nicht.[12]

Ursachen

Zu den vermuteten Ursachen von MCS gibt es im Wesentlichen drei Positionen (s. o.):

  • MCS als multifaktorielle und mehrstufige Störung: Nach einer Initialexposition gegenüber meist neurotoxischen Schadstoffen treten zunächst oft unspezifische Symptome einer neurotoxischen Wirkung auf (z. B. Lösemittel-Syndrom), dieser Effekt sollte nach Expositionsende überwiegend reversibel sein. Durch zusätzliche Stressoren (z. B. psychosozialer Stress, Angst) oder bei empfindlichen Bevölkerungsgruppen (z. B. multiple Allergien, Asthma) und langen Expositionszeiten geht die Störung über Jahre in eine chronische Form über, bei der zunehmend weniger Chemikalien ausreichen, um die Symptome zu erzeugen (= bio-psycho-soziales Modell).[13][11]

 

  1. 1,0 1,1 L. Andersson u. a.: Prevalence and risk factors for Chemical Sensitivity and sensory hyperreactivity in teenagers. In: Int J Hyg Environ Health. 2008; 211, S. 690–697.
  2. K. Osterberg u. a.: Personality, mental distress, and subjective health complaints among persons with environmental annoyance. In: Hum Exp Toxicol. 2007; Mar;26(3), S. 231–241, PMID 17439926.
  3. M. Pall, J. D. Satterlee: Elevated Nitric Oxide/Peroxynitrite Mechanism for the common etiology of Multiple Chemical Sensitivity, Chronic Fatigue Syndrome and Posttraumatic Stress Disorder. In: Ann New York Acad Sci. (2001); 933, S. 323–329.
  4. P. Rainville u. a.: Representation of acute and persistent pain in the human CNS: potential implications for chemical intolerance. In: Ann New York Acad Sci. (2001); 933, S. 130–141.
  5. Thomas Eikmann, Caroline Herr: Multiple Chemical Sensitivity Syndrome (MCS). Hessisches Zentrum für Klinische Umweltmedizin, Universitätsklinikum Gießen und Marburg (PDF, 29 KB).
  6. L. Bartha, W. Baumzweiger, D. S. Buscher, T. Callender, K. A. Dahl u. a.: Multiple Chemical Sensitivity: A 1999 consensus. In: Arch Environ Health. (1999); 54(3), S. 147–149.
  7. M. R. Cullen: The worker with multiple chemical sensitivities: an overview. In: Occup Med. 1987; 2, S. 655–661, PMID 3313760.
  8. M. Nasterlack, T. Kraus, R. Wrbitzky: Multiple Chemical Sensitivity: Eine Darstellung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes aus arbeitsmedizinischer und umweltmedizinischer Sicht. In: Deutsches Ärzteblatt 2002; 99, S. A 2474–2483, Heft 38.
  9. 9,0 9,1 A. Bauer, E. Schwarz, C. Mai: Multiple Chemical Sensitivity (MCS). Ein Update. In: Umwelt Medizin Gesellschaft.(2008); 21(4), S. 9–15.
  10. 10,0 10,1 NICNAS (Australian Governmental Department of Health and Aging): A scientific review of multiple chemical sensitivity: Working Draft report., November 2008.
  11. 11,0 11,1 E. Schwarz, A. Bauer, U. Martens: Allergien, Stress und Schadstoffe als Risikofaktoren für chemische Intoleranzen und „Multiple Chemical Sensitivity“ (MCS). In: Allergo Journal. (2006); 15, S. 139–140.
  12. Buchwald und Garrity 1994, Kreutzer u. a. 1999.
  13. 13,0 13,1 Nicholas Ashford, Claudia Miller: Chemical Exposures. John Wiley & Sons, 1998, ISBN 0-471-29240-0.